Wenn wir von Formen reden, denken wir zunächst an Gegenstände, an die Geometrie oder an die Architektur. Auch in der Musik gibt es Formen. Allerdings können wir die Begriffe eckig, rund, oval oder hoch, lang und breit nicht einfach auf die Musik übertragen.

Die Formen in der Musik können wir besser mit den Formen in der Sprache vergleichen. Aus einzelnen Worten entstehen Sätze, die durch einen Punkt abgeschlossen werden. Mit Sätzen werden Abschnitte gebildet, die aneinandergereiht ein längeres Schriftstück, etwa einen Bericht oder einen Aufsatz ergeben. So entstehen in der Musik durch Verwendung einzelner mu­sikalischer Einfälle (Motive) Melodien oder Themen. Mehrere Melodien aneinanderge­reiht ergeben musikalische Abschnitte und schließlich größere Musikwerke.

Voraussetzung, dass wir überhaupt Formen erkennen können, ist in der Musik, wie auch in anderen Bereichen, die unterschiedliche Gestaltung von Teilen. Je deutlicher sich Me­lodien, Rhythmen oder andere Gestaltungsmittel voneinander unterscheiden, desto kla­rer können wir Formen erkennen.

Ein Formteil in der Musik, etwa eine Melodie, lässt sich meist mit einem Spannungsbo­gen vergleichen. Auch in der gesprochenen Sprache senken wir unsere Stimme bei ei­nem Komma oder einem Punkt. Eine solche Schlussbildung beruht in der Musik häufig auf folgenden Möglichkeiten:

  • Erreichen des Grundtons als melodischer Ruhepunkt,
  • lange Note oder Pause als rhythmischer Ruhepunkt,
  • Verwendung eines "Ruheklanges" als harmonischer Ruhepunkt.

Der Komponist entwickelt musikalische Gedanken (Melodien, Themen), die er dann auf verschiedene Weise aneinanderreihen kann. Einfache musikalische Formen entstehen durch Aneinanderreihung mehrerer Einfälle. Grundsätzlich gibt es folgende Möglichkeiten, um ein längeres Musikstück zu gestalten:

  • Wiederholung eines Formteiles,
  • Veränderung eines Formteiles,
  • Kontrast (Gegensatz) zum vorangegangenen Formteil,
  • Wiederholung eines früher verwendeten Formteiles

Während einige Formen eher auf Kontrast (Gegensatz) beruhen, werden andere durch Reihung von variierten (abgeänderten) Teilen gebildet. Der kleinste sinnvolle Teil in einem musikalischen Ablauf ist das Motiv (kleiner musikalischer Einfall). Aus Motiven entsteht ein Thema. Das Thema ist ein in sich abgeschlossenes melodisch-rhythmisches Gebilde, oft 8 Takte lang. Man findet dafür auch den Begriff 8-taktige Periode.

Formverläufe lassen sich übersichtlich mit Hilfe von Buchstaben darstellen (Großteile=Großbuchstaben, Kleinteile=Kleinbuchstaben). Wenn es uns gelingt, auf Formabläufe in der Musik zu hören, können wir die musikalische Gedankenfolge eines Musikstückes besser verfolgen und so letztlich erst ein größeres Musikstück verstehen. Die Unterschiede der musikalischen Gedanken, die wir an der Stimmung oder dem Ausdruck eines Teils erkennen, sind auf Unterschiede in den Gestaltungsmitteln (Melodik, Tonart, Harmonik, Rhythmus, Takt, Tempo, Besetzung, Dynamik, Binnengliederung) zurückzuführen.

Die nun folgenden Beispiele sind Formgrundlagen, die von allen Komponisten immer wieder auch individuell umgestaltet werden.

Liedformen

Die einfachsten Formverläufe in der Musik sind die Liedformen. Sie sind die Grundlage bei Liedern, wie die Bezeichnung ja sagt. Sie bestehen aus wenigen musi­kalischen Einfällen. Die einzelnen musikalischen Einfälle stellen meist eine 8-taktige Periode dar, die wiederum in Vorder- und Nachsatz (Hinweg und Rückweg oder Spannung und Entspannung) gegliedert werden kann.

Einteilige Liedform: a

Das einfache Lied Lachend kommt der Sommer besteht aus einer 8-taktigen Melodie, die in Vordersatz (schwarz) und Nachsatz (blau) gegliedert ist.

Zweiteilige Liedform: aa, aa1 oder ab

Das Volksliedchen Horch, die Glocke tönt besteht aus zwei 8-taktigen Abschnitten (rot und blau)

    

Dreiteilige Liedform: abc, abb, aba

Der Gospelsong Rock my soul besteht aus drei verschiedenen 8-taktigen Abschnitten (schwarz, rot, blau). Der Song hat also die Form a b c.

 

Hörbeispiele (Liedformen)

 

 

 

 

Erweiterte Liedform

Ein Musikstück aus vier bis ca. sechs musikalischen Gedanken, die auf vielfältige Weise kombiniert werden können (z.B. a a1 b a), wird als erweiterte Liedform bezeichnet. Meist trifft man solche Formen in einfachen Stücken der Instrumen­talmusik, z. B. in den Klavierstücken „Album für die Jugend“ von Robert Schumann.

Strophe und Refrain

Insbesondere in Liedern, im Schlager oder in der Popmusik treffen wir diese Form häufig an. Die Strophen verwenden unterschiedlichen Text, während der Refrain immer gleich bleibt.

  

Große dreiteilige Liedform

Die Aneinanderreihung von 3 dreiteiligen Liedformen nennt man eine große dreiteilige Liedform. Diese kommt als Formgrundlage im 3. Satz bei Sonaten, Sinfonien oder auch Streichquartetten häufig vor.

Menuett (rot, blau, rot)           Trio (grün, orange, grün)                 Menuett

     A                                         B                                                        A

a   b   a                               c   d   c                                              a   b   a

 

Hörbeispiel (Joseph Haydn: Menuett)

 

 

 

 

Rondo

Ein Rondo ist ein Musikstück, bei welchem zwi­schen sich wiederholenden Teilen neue Teile eingeschoben werden. Ein Refrain A wechselt mit gegensätzlichen Strophen ab. Wir unterscheiden 3 Grundtypen:

  • Kleines Rondo: A B A C A
  • Klassisches Rondo: A B A C A B A
  • Kettenrondo: A B A C A D A ...

Die größeren Abschnitte (Großbuchstaben) werden meist in kleinere Abschnitte unterteilt. Hier ein sehr einfaches Kleines Rondo von Haydn: a (rot), b (blau), a, c (grün), a. Die Noten in schwarzer Farbe stellen eine Überleitung und den Schluss des Rondos dar.

 

 

Hörbeispiel (Joseph Haydn:Rondo)

 

 

 

 

Variation

Variation bedeutet Veränderung. In der Musik versteht man darunter eine Komposition, in der ein Thema mehrere Male in veränderter Weise erscheint, z. B. a a1 a2 a3 a4. Das Thema ist meist liedartig oder zumindest einprägsam. Alle Gestaltungsmittel (Melodie, Rhythmus, Tonart, Harmonik, Tempo, Dynamik, Artikulation, Phrasierung, Satztechnik, Besetzung, Begleitarten) können variiert werden.

Bluesform

Beim Blues werden 12 Takte mit einer bestimmten Harmoniefolge jeweils nach Ablauf dieser 12 Takte variiert. Der Blues bildet häufig die Grundlage für eine Jazzimprovisation. Auch in bestimmten Stilen der Rockmusik (Rock ´n´ Roll oder Bluesrock) spielt dieser Formablauf eine wichtige Rolle. Die Variationen erfolgen bei dieser Musik aus dem Stegreif, die Variationen sind spontane Einfälle (Improvisationen).

Formgrundlage:

Takte:                                       1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12

Harmoniefolge (Dur Akkorde): C  C  C   C  F   F   C  C  G    G    C     C   (Beispiel in C-Dur) 

Hörbeispiel (Bluesform)

 

 

 

 

Sonatenhauptsatzform

In längeren Musikwerken wie Sonate, Sinfonie, Solokonzert oder Streichquartett finden wir häufig als Formgrundlage im ersten oder auch letzten Satz die Sonatenhaupsatzform. Wir können uns ausführlich zu dieser Form auf dieser Website beim Thema Sonate mit entsprechenden Hörbeispielen informieren. Die Form im Überblick:

 

A (Exposition)                    B (Durchführung)                         A´ (Reprise)

a (Hauptsatz)                                                                         a1 (Hauptsatz)

b (Überleitung)                                                                       b1 (Überleitung)

c (Seitensatz)                                                                         c1 (Seitensatz)

d (Schlussgruppe)                                                                  d1 (Schlussgruppe)