Die Musikgattungen Sinfonie, Sonate, Streichquartett und Solokonzert sind die für die Klassik (ca. 1770 - 1820) wesentlichen Gattungen der Instrumentalmusik. Diese Gattungen unterscheiden sich grundlegend von den im Barock (1600 - 1750) wesentlichen Instrumentalgattungen, dem Barockkonzert (concerto grosso) und der Fuge. Ist die Fuge eher ein komplexes, schwierig zu verstehendes Gebilde, so ist die Sonate, wie auch die weiteren Instrumentalformen der Klassik, geprägt durch Einfachheit, Fass­lichkeit und Allgemeinverständlichkeit. Während Fortspinnung und Einheitlichkeit des Affekts innerhalb ei­nes Musikstückes typische Stilmerkmale der barocken Musik darstellen, sind nun Kontrast und Gegen­sätzlichkeit von Emotionen innerhalb klarer Abläufe die prägenden stilistischen Grundlagen.

Für die Entwicklung der genannten klassischen Musikgattungen, die bis in das 20. Jahrhundert wichtige Musikgattungen darstellen, sind die Komponisten Joseph Haydn (1732 - 1809), Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791) und Ludwig van Beethoven (1770 - 1827) von grundlegender Be­deutung.

Die Formgrundlage dieser Musikgattungen ist eine zyklische Anordnung mehrerer gegensätzlicher Sätze. Häufig ist folgende Satzfolge anzutreffen:

1. Satz (allegro, lebhaft, Sonatenhauptsatz),

2. Satz (adagio oder andante, ruhig, dreiteilig),

3. Satz (Menuett/Scherzo mit Trio, allegretto, tänzerisch/heiter, große dreiteilige Liedform),

4. Satz (allegro vivace oder presto, lebhaft, Sonatenhauptsatz oder Rondo).

 

 

 

 

 

 

Die einzelnen Sätze innerhalb des zyklischen Gesamtwerkes unterscheiden sich im Tempo, Charakter und in der Form. Sowohl die einzelnen Sätze, als auch die Sätze in sich, sind auf Kontrast angelegt. Beim Solokonzert entfällt der 3. Satz.

Neue Ideen benötigen neue Formen. Eine Neuerung in der Klassik ist die Herausbildung der Sonatenhauptsatzform als Formgrundlage des 1. und häufig auch des 4. Satzes. Der formale Ablauf ist in drei größere Abschnitte gegliedert, der Exposition (A), der Durch­führung (B) und der Reprise (A'). Innerhalb der Exposition werden 2 gegensätzliche Themen expo­niert, aus denen der Hauptsatz und der Seitensatz abgeleitet werden. Eine Überleitung ist zwi­schen Haupt- und Seitensatz eingefügt, abgeschlossen wird die Exposition durch die Schluss­gruppe. In der Durchführung werden häufig aus den Themen abgeleitete Motive ver­arbeitet, moduliert und verdichtet, wobei eine emotionale Steigerung erreicht wird. Abgeschlossen wird dieses Formungsprinzip durch die Reprise, einer leicht veränderten Wiederholung der Exposition mit meist einer Coda, einem hinzugefügten deutlichen Schlussabschnitt.

Die Entwicklung der Sona­tenhauptsatzform ist geradezu ein exemplarisches Beispiel, wie durch Vereinfachung von Struktu­ren eine große Steigerung des Ausdrucks erzielt wird. Die klassischen Komponisten suchten und fanden einen formalen Weg, ihren Emotionen Ausdruck zu verschaffen. Dazu war die barocke Polyphonie, innerhalb derem engen Stimmengeflecht (Fuge, Invention) keine kontra­stierenden Emotionen ausgedrückt werden konnten, wenig geeignet. Der stilistische Wandel der Musik ist zu verstehen mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel der Zeit. Das aufstrebende Bürgertum verlangte nach Befreiung von Abhängigkeiten und Zwängen. Diese Dynamik des gesellschaftlichen Umbruchs verkündet auch die Musik. Umbrüche setzen Emotionen frei und fordern eine dynamische Emotionalität, die nur durch strukturelle Veränderungen des Musikstils erreicht werden konnte. Nicht nur in den Werken Ludwig van Beethovens sind die Ideale der Französischen Revolution, die Forderung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, in der Musik wahrzunehmen.

Die Kennzeichnung mit verschiedenen Farben soll den kontrastierenden Aufbau des ersten Satzes der Sonate von Beethoven verdeutlichen. Die Exposition beginnt mit dem Hauptsatz (rot). Der Hauptsatz beginnt mit dem ersten Thema (rot/dicker Strich). Es schließ sich eine Überleitung an (blau) und dann bildet der Seitensatz (grün) einen Kontrast zum Anfang. Der Seitensatz beginnt mit dem zweiten Thema (grün/dicker Strich). Angeschlossen wird die Exposition durch die Schlussgruppe (orange). In der Durchführung hören wir zunächst wieder das erste Thema (rot), dann allerdingsverwendet Beethoven ein neues Motiv (lila), das er verdichtet (lila Striche) und somit emotional steigert. Daran schließ sich die Reprise, die eine etwas veränderte Exposition darstellt (siehe entsprechende Farben).

 

 

 

 

 

Wenn wir den Ablauf des Satzes verfolgen, hören wir entsprechend der Farben unterschiedliche Abschnitte mit unterschiedlicher Emotionalität. Diese Unterschiede beruhen auf der unterschiedlichen Gestaltung. Wir vergleichen einmal das 1. Thema (Farbe rot) mit dem 2. Thema (Farbe grün). Die Themen bestimmen jeweils die Emotionalität des Hauptsatzes und des Seitensatzes.

1. Thema

2. Thema

Emotion

aufgewühlt, unruhig

entspannt, ruhig

Tonart

C-Moll

Es-Dur

Melodik

sprunghaft hin und her

bogenförmig auf und etwas ab

Rhythmik

punktierte kurze Notenwerte

längere Notenwerte

Dynamik

Kontraste laut-leise

einheitlich

Gliederung

kurzgliedrig 2 + 2 + 2 + 2 Takte

langgliedrig 4 + 4 Takte